Handball WM 2021 Ägypten, 27. IHF Handball Weltmeisterschaft:
Deutschland zwischen WM-Debakel und Olympia-Gold-Vision.
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Männer bleibt auch unter Bundestrainer Alfred Gislason weiterhin erfolglos. Die DHB-Zielvorgabe mit dem Erreichen des Viertelfinals wurde bei der Handball Weltmeisterschaft mit Rang 12 weit verfehlt. Ein historisches Debakel für Deutschland.
Das Fazit zu möglichen Ursachen in Thesenform mit einem Blick voraus zur Olympia-Gold-Vision des Deutschen Handballbundes.
Ein Kommentar von SPORT4FINAL-Redakteur Frank Zepp.
26.01.2021 – SPORT4FINAL / Frank Zepp:
Handball WM 2021 Ägypten:
Schlechtestes WM-Ergebnis der Geschichte
Das DHB-Ziel WM-Viertelfinale war auch mit dieser, gegenüber der EHF EURO 2020 veränderten Formation, realistisch und möglich. Primär ursächlich führten das Fehlen von sportlicher Qualität (Benchmark Weltklasse), Führungs- und Unterschieds-Spielern und große Formschwankungen im Turnier zum zwölften Rang bei dieser Weltmeisterschaft. Das begründete Fernverbleiben von vier Stammspielern ist nicht der Hauptgrund für das historische WM-Debakel mit Platz 12 (bislang Rang 11 bei WM 2011) der Männer-Nationalmannschaft.
Blick-Zurück
Ein Blick in die Vergangenheit beweist die ergebnismäßige Abwärts- und Seitwärts-Tendenz im Männer-Handball Deutschlands:
2016: Europameister und Olympia Bronze
2017: WM-Neunter
2018: EURO-Neunter
2019: WM-Vierter
2020: EURO-Fünfter
2021: WM-Zwölfter
Verlorene Top-Spiele gegen Mit-Favoriten seit 2016
Das kann nicht nur Zufall sondern muss auch nicht vorhandene Qualität auf höchstem Level sein. Denn seit dem Europameister-Titel 2016 wurde nur noch ein wichtiges Spiel gegen eine Top-Mannschaft gewonnen: Das Hauptrunden-Spiel bei der Heim-WM 2019 in Köln gegen Kroatien mit 22:21, was gleichzeitig den Einzug ins WM-Halbfinale bedeutete. Die verlorenen Top-Matches: 2017 WM-Achtelfinale gegen Katar, 2018 EM-Hauptrunde gegen Spanien, 2019 WM-Halbfinale gegen Norwegen und Bronze-Match gegen Frankreich, 2020 bei der EHF EURO gegen Spanien und Kroatien und 2021 in Ägypten gegen Ungarn und Spanien.
Was mir noch wichtig in diesem Zusammenhang ist: Eine theoretische Kader-Kombination aus dem Ägypten-Aufgebot zuzüglich der vier Stammspieler Pekeler, Wiencek, Weinhold und Wiede bedeutet im Sport keinen Automatismus zu Erfolgen und Medaillen bei großen Events!
„Geschwächte“ DHB-Mannschaft vs. EHF EURO 2020
In den verlorenen Topspielen bei der Handball Europameisterschaft 2020 gegen Spanien (26:33) in der Vorrunde und Kroatien (24:25) in der Hauptrunde (es ging ums Halbfinale) standen folgende Spieler im DHB-Kader, die jetzt auch im deutschen Aufgebot von Bundestrainer Alfred Gislason standen: Andreas Wolff, Johannes Bitter, Silvio Heinevetter (erweiterter Kader), Uwe Gensheimer, Julius Kühn, Paul Drux, Fabian Böhm, Philipp Weber, Marian Michalczik, Kai Häfner, David Schmidt, Tobias Reichmann, Timo Kastening, Johannes Golla. Insgesamt 14 Spieler, die genügend Wettkampf-Erfahrung auf dem Buckel haben. Hierunter sind sogar noch 6 Europameister von 2016.
Der Kieler Abwehr-Innenblock mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler spielte in Trondheim gegen Spanien und Wien gegen Kroatien! Immer als Hauptbegründung das Fehlen von 9 Spielern in Ägypten als vorauseilende Entschuldigung für den Misserfolg anzuführen, ist keine seriöse Art der DHB-Verantwortlichen und lenkt die Aufmerksamkeit in eine völlig falsche Richtung.
Abwehr-Innenblock mit Pekeler und Wiencek ist kein Allheilmittel
Die Kieler Champions-League-Sieger 2020, der absolute Weltklasse verkörpernde Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek, sind im Abwehr-Innenblock auch kein Allheilmittel für Medaillen und Titel. Im WM-Halbfinale 2019 in Hamburg wurden sie von der norwegischen Mannschaft taktisch clever ausgespielt. Bei der schon erwähnten Europameisterschaft im vergangenen Jahr drehte Kroatien in der zweiten Halbzeit einen 5-Tore-Rückstand in einen Sieg. Gegen Spanien hatte die DHB-Auswahl nicht die Spur einer Chance – wie übrigens auch 2018 in Kroatien. Es ist also Vorsicht geboten mit derartigen positiven Mutmaßungen, auch wenn beide Kieler Spieler fraglos einen sehr guten „Stiefel“ verteidigen können.
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Hierüber weiter zu „philosophieren“, hieße „Eulen nach Athen zu tragen“. Beide Dinge klaffen beim DHB seit 2016 weit auseinander. Diese Schere würde nicht so gravierend sein, wenn die deutschen Handball-Männer wirklich seit Jahren konstant eine Weltklasse-Performance abrufen würden.
Fehlende Führungsspieler
Diese Fragestellung wird nun auch schon länger beklagt und steht auch mit den fehlenden sportlichen Erfolgen in engem Zusammenhang. Die deutsche „goldene Generation“ der ersten Dekade dieses Jahrtausends mit Henning Fritz, Markus Baur, Holger Glandorf, Christian Schwarzer, Stefan Kretzschmar, um nur einige ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen, gibt es aktuell nicht in der deutschen Nationalmannschaft. Mehr noch: Es gibt auch aktuell bis auf Hendrik Pekeler keinen Unterschiedsspieler von Weltklasse-Format. Andere Nationen weisen mehrere Akteure von dieser Qualität auf.
Andreas Wolff und Uwe Gensheimer
Hierzu habe ich mich schon in früheren Jahren geäußert. Die Weltmeisterschaft in Ägypten und schon einige Jahre zuvor bestätigten: Beide können ihr noch 2016 vorhandenes Weltklasse-Niveau nicht mehr abrufen. Bei der Weltmeisterschaft gehörten sie nicht zu den Leistungsträgern im deutschen Kader. Eher zu den Stimmungsmachern, die eine Teambuilding-Maßnahme erschwerten.
Beim deutschen Kapitän ist die Situation sehr schwierig: Der 34-jährige Uwe Gensheimer, immerhin 2016 im Olympia-All-Star-Team, gewann bei keiner großen Meisterschaft mit dem DHB-Team einen Titel. Auch nicht in der Champions League mit Paris Saint-Germain. Er ist sowohl sportlich als auch unter dem Kriterium der sozialen Kompetenz als Bindeglied zwischen Bundestrainer und Mannschaft nicht mehr der „richtige Mann“ in der Nationalmannschaft.
Olympia-Gold-Vision als DHB-Druckmittel
Es wirkt unter den sportlichen Eindrücken der letzten Großereignisse, EM 2020 und WM 2021, sowohl realitätsfremd aber auch scharf als Druckmittel kalkuliert, wenn die DHB-Verantwortlichen mit Präsident Andreas Michelmann und Vize Bob Hanning nach dem Misserfolg in Ägypten sofort wieder die „Keule“ von der seit 2013 existierenden Gold-Vision bei den Olympischen Spielen im Sommer 2021 in Tokio herausholen. Alle deutschen Handball-Fans wünschen sich nichts sehnlicher als eine Medaille nach dem EURO-Titel von 2016. Manchmal ist aber ein bisschen weniger einfach mehr, verehrte DHB-Bosse.
Wie könnte der deutsche Erfolgs-Kader aussehen
Wer Alfred Gislason in Kiel beobachtet hat, der weiß, dass er seine Erfolge mit erfahrenen Top-Spielern realisierte. Die Ausbildung junger deutscher Talente zu Nationalspielern stand unter dem Erfolgdruck in Kiel lange Zeit nicht auf der Vereins-Agenda. Insofern befindet sich der Bundestrainer genauso wie die Spieler bei der Olympia-Qualifikation im März in Berlin, und so erfolgreich, dann in Tokio gehörig unter Druck.
Eine Stamm-Sieben aus Sicht des Bundestrainers könnte folgendermaßen aussehen: Bitter, Kühn, Weber, Weinhold, Gensheimer, Pekeler, Kastening. Der Berliner Wiede, Europameister 2016 und WM-All-Star 2019, könnte als zweiter Spielmacher agieren.
Wechsel von Prokop zu Gislason bislang ohne Team-Weiterentwicklung
Der Wechsel im Bundestrainer-Amt 2020 von Christian Prokop zu Alfred Gislason hat auch unter „Abzug“ der Corona-Sonderbedingungen bislang zu keiner signifikanten qualitativen sportlichen Weiterentwicklung des deutschen Teams geführt. Verbesserte Ansätze im Angriffsspiel müssten künftig erst auf höherem Niveau und harter Gegnerschaft bestätigt werden (siehe Rückschritt gegen Polen).
Was aber am „Rande“ deutlich auffiel: Die jahrelangen Diskussionen (2018 bis 2020) um die Weiterbeschäftigung von Christian Prokop ließen keine kritische Analyse und Auseinandersetzung mit dem wahren Leistungsstand der deutschen Nationalmannschaft im Vergleich zur Weltspitze zu. Im Gegenteil, sie wurde eher unter den Teppich gekehrt oder in den DHB-Amtsstuben nur ansatzweise geführt.
Weltspitze – Weltklasse
Auch dieses interessante Thema ist in den vergangenen Jahren zum „Klassiker“ geworden. Es reicht eben nicht aus, 2007 und 2016 sowie 2019 (erweitert) zur Weltspitze zu gehören, wenn dies in den Folgejahren nicht kontinuierlich bestätigt wird. Ein Herbeireden dieses Prädikates ist nur kontraproduktiv. Vielleicht schaffen ja in diesem Jahrzehnt im DHB gedankliche Veränderungen in Sprache und Diktion einen Durchbruch. Nicht nur, wenn Bob Hanning seinen Vize-Posten freiwillig aufgibt. Aktuell ist die deutsche Männer-Nationalmannschaft weit von der Weltspitze mit Weltklasse-Performance entfernt. Aber dies sollte nicht so lange anhalten!
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